2016 Sibirien und Bromberg

Studien- und Begegnungsreise nach Sibirien

16. - 30. Juli 2016

Die letzte von der EGB veranstaltete Reise nach Russland fand im Jahre 2009 statt und führte nach Moskau und Perm am Ural. Während St. Petersburg und Moskau in früheren Jahren mehrfach Ziele von EGB-Begegnungsreisen waren, wollen wir erstmals in diesem Jahre einen schon länger bestehenden Plan einer Reise nach Sibirien realisieren und dort die bedeutenden Städte Omsk, Krasnojarsk und Irkutsk besuchen. Die Weite Sibiriens wird sich uns erschließen, wenn wir einen Teil der innerrussischen Strecke mit der Transsibirischen Eisenbahn zurücklegen.

Omsk ist mit 1.160.000 Millionen Einwohnern eines der führenden Industrie- und Kulturzentren in Russland, ein Verkehrsknotenpunkt, der den europäischen mit dem asiatischen Kontinent, den Norden Westsibiriens mit Zentralasien verbindet. Wir werden im evangelischen Kirchen- und Kulturzentrum „Christuskirche“ wohnen. Dort ist auch der Sitz des Bischofs der Evang.-Luth. Kirche „Ural, Sibirien und Ferner Osten“, zu der eine Partnerschaft mit der Evang.-Luth. Landeskirche Hannovers besteht. Während des voraussichtlich 4-tägigen Aufenthalts in Omsk werden wir uns über die Situation dieser Kirche und ihre Wirkungsmöglichkeiten in ihrem riesigen, bis Wladiwo- stok reichenden Gebiet informieren. Darüber hinaus planen wir Gespräche mit Vertretern aus Bildung und Kultur, Wirtschaft und Politik. Unter sachkundiger Führung werden wir die Stadt und ihre nähere Umgebung kennenlernen.

Mit dem Zug werden wir nach Krasnojarsk durch die sibirische Landschaft weiterreisen. Krasnojarsk liegt am Fluss Jenissei und ist mit 1.007.000 Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt in Sibirien. Wir werden die Stadt besichtigen und Gespräche mit Vertretern der evang. Kirche und ihrer Diakonie führen. Mehrere Einrichtungen im Bildungs- und Sozialbereich in Krasnojarsk unterhalten seit vielen Jahren eine Verbindung zu Lippstadt/Westfalen. Hier haben zahlreiche Mitarbeiter(innen) der russischen Einrichtung eine zweijährige Ausbildung erhalten. In Krasnojarsk werden wir 2 Tage bleiben. Die Weiterreise nach Irkutsk erfolgt mit der Bahn.

Irkutsk liegt in der Nähe des Baikalsees. Hier sind Gespräche mit Vertretern verschiedener Konfessionen und Kontakte zu Gemeinden der Evang.-Luth. Kirche geplant. Wir werden in der  600.000-Einwohner-Stadt auch das Freilichtmuseum Taljzy besuchen und eine Fahrt auf die Insel Olchon im Baikalsee unternehmen. Vorgesehen sind auch Begegnungen mit Bewohnern kleinerer Ortschaften außerhalb der Stadt, um das Alltagsleben besser kennen zu lernen. Eventuell besteht die Möglichkeit einer Einladung in eine Familie.

 

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Bromberg

Impressionen einer Reise nach Bromberg im Juli 2016

 

Der „Polnische Faust“ Pan Twardowski hat zwar wie der deutsche Doktor Faust ein  historisches Vorbild, um das sich die Legende eines mit dem Teufel geschlossen Paktes rankt, ist aber als Gestalt und in den an sie anknüpfenden literarischen Ausmalungen mehr eine grell-schillernde folkloristische Figur denn ein tiefgründiger Charakter. Das höhnische Lachen, mit dem er zweimal täglich in einem Giebelfenster am Markt in Bromberg/Bydgoszcz erscheint, kann daher grausige Gedanken gar nicht erst aufkommen lassen. Finstere Erscheinungen würden zum Bild der Stadt auch nicht recht passen, die ansprechend wirkt mit ihrem von dem Fluss Brahe maßgeblich geprägten Kern, dem imposanten, gut erhaltenen Altbaubestand, wenigen markanten Neubauten und nicht zuletzt mit ihren dem Besucher freundlich-gelöst begegnenden Einwohnern.                                                                           

Zwei aufschlussreiche Touren durch die Stadt waren den mit vorzüglichen Erläuterungen aufwartenden Begleiterinnen zu verdanken, einmal eine ehemalige Blindenlehrerin, die sich nunmehr der Ausbildung von Touristenführern widmet, ein anderes Mal zwei Mitglieder der Polnisch-Deutschen Gesellschaft Bromberg. Die Wege mussten immer wieder zur Begegnung mit der langen deutschen Vergangenheit werden, die im nationalsozialistischen Terror endete. Ein öffentlich unscheinbarer, aber doch wesentlicher Beitrag zum Sieg über Nazi-Deutschland ist einem Bromberger Bürger zu verdanken, dem Mathematiker Mariam Rejewski, dem – von einem Studienaufenthalt in Göttingen zurückgekehrt - im Auftrag des polnischen Geheimdienstes zusammen mit zwei studentischen Mitarbeitern nach mehrjähriger Forschung bereits im Jahre 1934 die erste Entschlüsselung eines Programmcodes und der ihm zugrundeliegenden Arbeitsschritte gelang, mit dem die deutsche Chiffriermaschine Enigma zur damaligen Zeit betrieben wurde. Seine im Jahe 1939 an die französischen und britischen Geheimdienste weitergegebenen Erkenntnisse waren eine wesentliche Grundlage für das Aufspüren von Techniken zur Entschlüsselung von mittlerweile weiterentwickelten Chiffre-Mechanismen der Enigma. Rejewskis Heimatland fand sich erst spät bereit, seinen Beitrag zum kriegerischen Erfolg der Alliierten zu würdigen. Aus England in das Nachkriegspolen zurückgekehrt, wurde ihm sogar  die von ihm angestrebte  Anstellung als Mathematiklehrer verwehrt. Seine von ihm  verfassten Erinnerungen blieben unveröffentlicht. Erst als sein ehemaliger Verbindungsoffizier im französischen Geheimdienst 30 Jahre nach Kriegsende sein Verdienst publik machte, wurde ihm auch in Polen besondere öffentliche Aufmerksamkeit zuteil – nach seinem Empfinden offenbar zu spät. Jedenfalls wies er die ihm angetra- gene Ehrendoktorwürde zurück. So entspannt-freundlich gestimmt wie der Gesichtsausdruck seines Bronzedenkmals in Bromberg wirkt, kann er in seinen letzten Lebensjahren schwerlich gewesen sein. 

Die in der Nazi-Propaganda als „Bromberger Blutsonntag“ bezeichneten Ereignisse des 4. September 1939, bei dem weitgehend unbeteiligte Volksdeutsche ums Leben kamen, muss jedem deutschen Brombergbesucher vor Augen stehen. Dass das öffentliche Gedenken in Bromberg mehr dem Blick auf die deutschen Greueltaten nach der Einnahme der Stadt gewidmet ist, wird man verstehen können, zumal vieles zum Ablauf der Ereignisse des 4. September bis heute als ungeklärt gilt. Am Denkmal des von den deutschen Besatzern im November 1939 ermordeten polnischen Oberbürgermeisters meinte eine unserer polnischen Begleiterinnen sehr kurz und doch vielsagend: „Das ist eine sehr komplizierte Sache.“

E.-W. Warnecke