Aus unserer Arbeit

Jedes Jahr führen wir eine Jahrestagung zu einem bestimmten Thema durch sowie verschiedene Reisen mit Programm.

 

Dabei steht die Begegnung mit "Land und Leuten" im Vordergrund. Weitere Informationen bieten die nachfolgenden Rubriken:


Rückblick auf 2017

Projekte des Jahres 2017 – Nachbetrachtung und Ausblick 

 

Bei der Konzeption unserer Projekte im letzten Jahr hatten wir, eingedenk der Zielsetzung unserer Gesellschaft,  das Reformationsjubiläum als maßgebliche Inspirationsquelle gewählt und dabei die Aufmerksamkeit  auf Länder Ost-und Ostmitteleuropas gerichtet. Dieser An- satz hatte bei zwei der drei Vorhaben seinen Niederschlag  schon in der thematischen Um- schreibung gefunden: Die Spuren der Reformation in Pommern,  West-und Ostpreußen erkundeten wir auf einer der beiden Studien-und Begegnungsreisen. Die Reformation 

und ihr Erbe in Polen, Ungarn und den baltischen Ländern war das Motto, dem wir uns mit gründlichen Betrachtungen  auf unserer Jahrestagung widmeten. Aber auch auf der zweiten, nach Ungarn führenden Reise  wurde uns bei geschichtlichen Rückblicken die Wirkung vor Augen geführt, die den unterschiedlichen religiösen  Kräften im staatlichen und gesellschaft- lichen Gefüge zukamen. Die Anfänge der reformatorischen Bestrebungen  in Ungarn waren hier von einer Ausnahmesituation geprägt: Sie fielen mit den türkischen Eroberungen  

zusammen, so dass die infolge der feindlichen Landnahme für eineinhalb Jahrhunderte bestehende  Konfrontation mit einer nichtchristlichen Religion zu Machtkonstellationen und -konflikten eigener Art  führte. 

Die Reformation löste den Impuls für die Anerkennung der Religionsfreiheit als erstem individuellen Freiheitsrecht  aus. Bis zu seiner rechtlichen Verbriefung und erst recht bis zu seiner tatsächlichen Respektierung  waren freilich zerstörerische Kriege und blutige Kämpfe zu beklagen. Auch nach deren Ende wurde die Religionsbindung  weithin als Gruppenzuge- hörigkeit und die jeweils fremde als störend angesehen. Das auf einer  solchen Anschauung fußende Dominanzstreben konnte Erfolge zeitigen, wenn das Interesse einer Konfession 

mit dem staatlichen übereinstimmte. Wo – wie etwa in Brandenburg, Pommern und Preußen – der Reformation  kraft landesherrlichen Regiments zum Durchbruch verholfen worden war, war dies ein wesentliches  Hemmnis dafür, dass die evangelischen Kirchen Institutionen ent-wickelten, die von starker gesellschaftlicher  Eigenverantwortung geprägt gewesen wären. Diese Staatsbindung trug in der jüngeren deutschen Geschichte  sicher mit dazu bei, dass selbst evangelische Kirchenvertreter, die das nationalsozialistische Unrecht klar erkannten, 

sich unbeholfen zeigten bei Entscheidungen über mögliche Reaktionen. Die Sorge um Kirche und  Religion führte etwa zu organisatorischen Neugründungen (Bekenntnissynoden, Bruder-räte) als Gegenwehr nach den staatlichen Übergriffen auf die kirchliche Selbstverwaltung. Aus christlichem Geist handelnde Widerstandskämpfer gegen das täglich handfeste und immer weiter gesteigerte Unrecht waren herausgehobene,  heldenhafte Einzelgänger. Auf unserer Studienreise nach Polen haben wir das Wirken Dietrich Bonhoeffers  durch Besuche der nach ihm benannten Studien-und Begegnungsstätte in Stettin und des Ortes des damaligen 

Predigerseminars in Finkenwalde gewürdigt, an dem er tätig war. 

Neben die über Jahrhunderte auf unterschiedliche Weise unternommenen Versuche zur Assimilierung der religiös Anderen trat im 19. Jahrhundert in vielen Ländern eine Politik der ethnischen Homogenisierung, die  schließlich in pervertierter Form bis hin zu Völkermorden führte. Die Lehre aus diesen Erfahrungen der Vergangenheit  und alle aufklärerischen Bemü-hungen haben nicht verhindern können, dass es gesellschaftliche  Kräfte immer wieder von neuem schaffen, die menschlich wohl latente Neigung zu Freund-Feindbild-Stereotypen 

zu aktivieren – sei es unter Hinweis auf die angeblich notwendige Verteidigung der eigenen kulturellen  Identität oder auch als Versuch, zur einfachen Erklärung von Konflikten einen „Sündenbock“ ausweisen  zu können. Der Antisemitismus gehört zu den Urformen ethnischer Feindbilder. Dass er in Europa in jüngster  Zeit erneut mit zunehmender Tendenz virulent wird, muss zutiefst beunruhigen. Das Thema unserer  nächsten Jahrestagung ist mit Blick auf diese Gefährdung unserer europäischen Zivilisation gewählt worden. 

 

E.-W. Warnecke